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Über die Machenschaften der Securitate

30. November 2014


Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Wilfried Heller, Träger des Sudetendeutschen Kulturpreises für Wissenschaft 2013

Neues Buch über die Securitate in Rumänien: Bundesdeutscher Wissenschaftler wurde vom kommunistischen Geheimdienst sowohl in Rumänien als auch in Deutschland verfolgt
Unter den verschiedenen, größtenteils recht aufschlussreichen Büchern zu den Machenschaften der Securitate in Rumänien, die in den letzten Jahren in deutscher Sprache erschienen sind, fällt der vorliegende Band durch zwei Besonderheiten auf, die eine wichtige Ergänzung zu den bisherigen Veröffentlichungen bilden und die das Buch daher – auch für Kenner der Sache – unbedingt lesenswert erscheinen lassen. Der Autor, Wilfried Heller, ist zum einen kein Rumäniendeutscher oder Rumäne, wie die meisten anderen Autorinnen und Autoren, die bisher zu diesem Themenkreis schrieben, sondern ein bundesdeutscher Wissenschaftler, zuletzt Professor für Sozial- und Kulturgeographie an der Universität Potsdam, der bereits als Nachwuchswissenschaftler in den 1970er Jahren bei seinen längeren Feldforschungen und Exkursionen mit Studenten nach Rumänien in das Blickfeld intensiver Beobachtungen der Securitate geriet und „Zielperson" aufwendiger operativer Maßnahmen wurde. Als Ausländer hat er viele Dinge seinerzeit wohl anders erlebt und wurde in vielen Hinsichten natürlich auch anders behandelt, als dies bei rumänischen Staatsbürgern, auch solchen, die der deutschen Minderheit angehörten, der Fall war. Zum anderen gibt das Studium seiner Akten, das Heller nahezu durchgängig mit wissenschaftlicher Akribie und sachlicher Distanz betrieb, wichtige Einblicke in die Arbeit der Securitate im spezifischen Bereich der rumänischen Wissenschaften und Wissenschaftler, in Handlungsfelder, die sich keineswegs nur in Rumänien selbst operativ entfalteten, sondern vielfach auch auf das Ausland und die Auslandskontakte der Wissenschaftler erstreckten.

Zu dem in den letzten Jahren erst allmählich im tatsächlichen Umfang erkennbaren Ausmaß der rumänischen Agenten- und Unterwanderungsaktivitäten der Securitate im westlichen Ausland und in der Bundesrepublik Deutschland im Besonderen, die beispielsweise intensiv in landsmannschaftliche Milieus der Deutschen aus Rumänien wie auch in entsprechende kulturelle und wissenschaftliche Einrichtungen hinein reichten, fügt dieser Band recht interessante, darüber hinaus gehende Einblicke und wichtige Facetten hinzu. Der Bereich der Wissenschaften ist dabei besonders interessant, da er gerade in dem vom Autor erlebten Zeitraum im Spannungsfeld einer in den 1960er Jahren begonnenen internationalen Öffnung einerseits und einer unter den Vorzeichen einer Reideologisierung und zunehmenden Repression erfolgten erneuten „Verfinsterung der Horizonte" (Alexandru Zub) anderseits stand. Auch und gerade in dieser Hinsicht ist der Band besonders informativ und aufschlussreich, wie durch zwei Beispiele kurz gezeigt werden soll.

Als Sozial- und Wirtschaftsgeograph war Heller natürlich an bevölkerungs- und siedlungsgeographischen wie auch agrarwirtschaftlichen und sozialstrukturellen Daten interessiert, die es im Zusammenhang mit entsprechenden Transformationsprozessen in der rumänischen Statistik und sozialwissenschaftlichen Landforschung zwar gab, die aber weitgehend als streng geheim galten. Das wissenschaftliche Interesse an entsprechenden Daten machte Heller in besonderer Weise verdächtig – und hatte für ihn und für andere weitreichende problematische Folgen, wie die Akten heute erkennen lassen. Man mag sich heute fragen, was an so einfachen, ja trivialen, und wohl auch teilweise beschönigten regionalen sozialdemographischen und agrarwirtschaftlichen Strukturdaten so gefährlich sein konnte, dass sie wie höchste Staatsgeheimnisse aufgefasst und behandelt wurden? Die Antwort ist recht einfach: Für Herrschaftssysteme, die auf ideologischen Fiktionen beruhen, sind alle empirischen Daten, unabhängig von ihrem tatsächlichen Informationsgehalt und ihrer Güte, gefährlich, denn sie demaskieren nahezu immer – gewollt oder ungewollt – wie weit Ideologie und Wirklichkeit auseinander liegen.

Im Titel des Bandes wird von „Horia" und „Hans" als zwei Decknamen des Autors und von „zwei Akten" der Securitate gesprochen. Tatsächlich wurde Ende der 1980er Jahre ein zweiter Vorgang eröffnet, bei dem es darum ging, den mittlerweile in der Bundesrepublik Deutschland etablierten Wissenschaftler für ein von der Securitate konspirativ gesteuertes Projekt zur Verbesserung des damals schon sehr ramponierten Images Rumäniens im Westen zu gewinnen. Zum näheren Versuch der Umsetzung dieses Vorhabens kam es dann nicht mehr, da bekanntlich auch das Ceauşescu-Regime im Dezember 1989 sein zwar vielfach erhofftes, aber dann doch unerwartet rasches Ende fand.

Heller rekonstruiert Fakten und Zusammenhänge, die sich seinen Akten entnehmen lassen, nicht nur mit wissenschaftlicher Aufmerksamkeit und eindrucksvoller Umsicht, sondern es gelingt ihm darüber hinaus, die Geschehnisse und Erlebnisse der Vergangenheit spannend, anschaulich und überzeugend zu erzählen. „Klarnamen" von Kollaborateuren der Securitate nennt er grundsätzlich nicht, obwohl ihm einige seitens der zuständigen rumänischen Behörde, dem Nationaler Rat für das Studium der Archive der Securitate (Consiliul Naţional pentru Studierea Arhivelor Securităţii – CNSAS), mitgeteilt wurden und der Sachkenner nach der Lektüre des Bandes wohl auch den einen oder anderen ehemaligen Informanten oder Mitarbeiter der Securitate unschwer wiederzuerkennen vermag. Den Aufklärungswert des Buches schmälert dies nicht unbedingt, obwohl man sich nach 25 Jahren doch auch wünschte, dass Täter von ihren Opfern endlich genannt werden und genannt werden dürfen, ohne dass deutsche Gerichte überaus fragwürdige anderslautende Urteile dazu fällen, wie in letzter Zeit geschehen. Es zählt vielleicht zur Ironie der Geschichte, dass ein in diesem Band nur mit seinem „Decknamen" genannter Informant der Securitate, fast zeitgleich mit dem Erscheinen des Buches, in Rumänien wie auch in der Bundesrepublik Deutschland anlässlich seines 70. Geburtstags für seine „wissenschaftlichen Verdienste" besonders geehrt wurde.

Anton Sterbling, SBZ-Online vom 30-11-14

Wilfried Heller: Von „Horia" zu „Hans". Irrungen und Wirrungen der Securitate Rumäniens im Spiegel zweier Akten. Schiller Verlag, Hermannstadt – Bonn, 2014, 127 Seiten, 14,80 Euro, ISBN 978-3-944529370, zu bestellen im Buchhandel oder direkt beim Schiller Verlag, deutsche Festnetznummer: (02 28) 90 91 95 57.

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